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DekoDeko
  No Presence!
Zur Eröffnung der Ausstellung "Zurück zum Beton" am 6. Juli 2002, in der Kunsthalle Düsseldorf
 
Punk und New Wave sind - zugegeben - "hartes Brot" für Ausstellungsmacher. Denn Punk und New Wave haben keine Objekte produziert - jedenfalls keine, die für eine Zukunft in Museen gedacht wären. Im Gegenteil: Es ging um einen neuen Rhythmus für Musik und Leben - Leben und Musik. Die Szene wollte vor allem eins sein: Hart, laut und schnell!
 
Der neue Rhythmus von Punk und New Wave entstand als Abrechnung mit dem klebrigen Bombastrock des Endes der Hippie-Ära und als Antwort auf die verfahrene politische Situation, die durch Nachrüstung, Anti-AKW-Proteste, Popper und die ersten Yuppies gekennzeichnet war. Der neue schnelle Rhythmus ("Stumpf ist Trumpf!") wollte alte Verkrustungen weghämmern und Platz für Neues machen. Es war ein Humus, auf dem Einfälle schnell produziert, schnell ausprobiert und schnell wieder verworfen wurden. Produziert wurde nicht für übermorgen, sondern für jetzt und heute: No Future! war die Devise.
 
Auch wenn es die Eitelkeit des einen oder anderen Protagonisten verletzt: Rund zwanzig Jahre später den "Rest vom Fest" als Schwarzweiß-Kopie an die Wände der Kunsthalle zu hängen, in Videocontainer zu packen oder als Dia-Show auf die Wand zu werfen, ist ein Rückfall auf ästhetische Positionen des 19. Jahrhunderts.
 
Alexander von Humboldt zum Beispiel ist nach Südamerika gefahren und hat (fast) alles, was er mitbringen konnte, zu Hause fein säuberlich sortiert: Käfer und Schmetterlinge wurden in Glaskästen aufgespießt, Skelette und Knochenreste wurden in Schubladen sortiert und Pflanzen wurden in ehrwürdigen Folianten abgelegt... So in etwa ist Ausstellungsmacherin Ulrike Groos auch mit Punk und New Wave verfahren. Was soll das?
 
Im Angesicht des Pulvers versteht man nicht, was eine Explosion ist: Die seelenlosen Trümmer des Punk auf ein zweidimensionales Format zu bringen, ohne jede Inszenierung, ohne Risiko und ohne Sympathie "ausstellungskompatibel" zu machen, ist eher eine glatte Sechs als eine kulturpolitische Leistung - wenn man mich fragt.
 
Die vielen Zeitdokumente anzusehen, ist für viele vielleicht kurzweilig. Aber wo ist der Punkrock geblieben? Die ballernden Bässe? Die dröhnenden Drums? Die krächzenden Gitarren? Die Mülltüten? Das Klebeband? Der Schweiß? Die Berge von leeren Bierdosen? Die Lederjacken? Die Reißverschlüsse? Die Ketten und Kettchen? Die Irokesen? Die Frage "Hasse mal 'ne Mark"? Wo ist das Lebensgefühl, die Energie, der Mut, die Verzweiflung und der Witz geblieben, das Hohnlachen, das zum Spiegel für die werden sollte, die Punks und ihre Freunde als "die anderen" verachteten?
 
Nichts da! Alles mußte draußen bleiben: der Pogo, der Spaß, der Suff und die schneidende Kritik, die sich - Respect! - selbst nicht allzu wichtig nahm. Stattdessen rollte eine gigantische "Do-it-yourself-Welle" durch den Hof: Man machte Bands (Charlie's Girls, Male, Mittagspause, Fehlfarben, ZK...), Stadtzeitung (Überblick) oder Kunst (zum Beispiel Markus und Albert Oehlen) oder Mode (Ute Mazocha, Ela Eis). Der Xerox-Kopierer lief auf Hochtouren, Fanzines wurden geschrieben, gedruckt und vertrieben. Die ersten elektronischen Musikinstrumente eroberten die Welt und wurden eifrigst zum Musikmachen eingesetzt - kostete es an Nerven, was es wollte. (Ein paar davon sind in der Kunsthalle ausgestellt, aber man darf sie nicht einmal ausprobieren.) Auch Aufnahmegeräte wurden erschwinglich. Jetzt konnte man selbst Musik machen und vervielfältigen - ohne Studio und Plattenfirma. Die Vorbilder traten auf in Carmens Konzerten: 999, Wayne County, D.A.F., Pere Ubu, Scritti Politti, Tuxedomoon, Wire, XTC, ZK... Diese Produktionswut hat geprägt - die Leute und die Kultur, bis heute. Eine Unzahl von neuen unabhängigen Labels entstand. Mittlerweile ist es ganz normal, dass Hits am Heimcomputer produziert werden und als MP3 im Netz vertrieben werden. Diese Lektion hat die Kunsthalle nicht verstanden.
 
Leider nicht "Machen" ist das Thema der Ausstellung, sondern "Artefakte" - so wie man das seit ewig gelernt hat. Aber nicht von den Punkies. "Machen" oder besser noch "Selber machen", das wäre eine Botschaft gewesen, für die sich der Aufwand gelohnt hätte. Aber so...
 
Und noch mal: Wo ist die Musik geblieben? Dass es am Eröffnungsabend noch mal ein Punkkonzert und ein DJ-Event gab, macht es ja fast noch schlimmer: "Die Band zum Buch" spielte auf (Jürgen Teipel: "Verschwende deine Jugend") mit Peter Hein (Fehlfarben), Meikel Clauss und Ferdi Mackenthun (Käptn Nuss). Erst recht verwandelte sich die Kunsthalle in den legendären "Ratinger Hof" (siehe unten),Der Ratinger Hof - wie er mal war als um 22 Uhr die obere Etage zum Ocean Club mit den Berliner DJs Gudrun Gut und Thomas Fehlmann wurde (www.duesseldorf-today.de). Die Ausstellungsmacher hätten merken können, was fehlt. Aber sie haben nicht. Wenn das die Zukunft der Kunsthalle ist...
 
Der Sturm auf die Bastille der Hippiekultur hätte im Nachhinein fast noch verloren gehen können. Ist er aber nicht, denke ich. Denn Punk hat noch nie im Museum stattgefunden - sondern im Ratinger Hof, bei Carmen Knoebel und Ingrid Kohlhöfer. Schöner haben sich Kunst und Leben selten ineinander verliebt: Die Künstler waren da (Imi Knoebel, Palermo, Achim Duchow, Werner und Colette, Memphis Schulze, Katharina Sieverding, Josef Beuys, Chris Kohlhöfer, Sigmar Polke, Tadeusz, Markus Oehlen, Norbert Fehling, Wolfgang Schäfer, wen habe ich vergessen?) und die Musiker waren da (Padlt Noidlt, La Düsseldorf, Charley's Girls, Male, Mittagspause - aka Fehlfarben, Janie J. Jones, ZK, Die Toten Hosen, Family Five, - delta t, Mouse One Mars, Kurt Dahlke und Frank Fenstermacher von Ata-tak, sogar Kraftwerk schauen rein, wen habe ich hier vergessen?). Was mich aber wundert, dass die alten Punks es so "geil" fanden, ihre große Zeit im Museum bewundern zu können - obendrein in einer Ausstellung, die - meine ich - ihr Thema verfehlt hat.
 
Zum Schluss noch eine Frage an die Ausstellungsmacher: Wie fühlt man sich eigentlich, wenn man eine Ausstellung unter dem Titel "Zurück zum Beton!" macht und noch nicht einmal eine Mischmaschine an den Start bringt? Nichts, aber auch gar nichts hat der Titel mit der Ausstellung zu tun, außer, dass ein paar Punkies diese Zeile mal zufällig in ein Mikro gebrüllt haben. Dafür kann man sie nicht verantwortlich machen... und daraus kann man keine Ausstellung machen.
 
'tschulligung' an alle, die ich vergessen habe, schreibt mir und ich vervollständige gerne meine Erinnerung: ule@leschak.com.
 
Links: Kunsthalle Düsseldorf
Links: Texte und Bilder zur Ausstellung, u.a. von Ulrike Groos
Links: Plattenlabel: Pure Freude
Links: Pixelgrapher: Ratinger Hof Dias
Links: Künstliches Proletentum - ein Rundgang von Klaus Sebastian (rp)
 
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